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Wie Sexual Wellness den Schatten verließ

Katrin Grieser
Katrin Grieser
01. Aug. 2024
Das Bild zeigt ein Paar im Bett, mit Kaffeetassen und vor einem aufgeklappten Laptop

Sexual Wellness hat sich von einem Tabuthema zu einem farbenfrohen, weitgehend akzeptierten Teil des E-Commerce entwickelt. Der zeitgemäße Umgang mit Sexualität ist bunt, fröhlich - und keineswegs medienscheu. Er macht deutlich, wie wichtig auch sexuelles Wohlbefinden ist. Denn Self Love und Self Care haben viele Facetten - auch eine sexuelle. Die hat ihren Weg in den Alltag vieler Menschen gefunden - ohne Scham und auffällig unauffällige Plastiktüten.

Rebranding par excellence

Wer heute den Online-Shop eines etablierten Sexual Wellness Players wie Amorelie, Beate Uhse oder Eis.de besucht, wird mitunter überrascht sein. Farbenfrohe Designs, mal zartrosa, mal dunkelblau, und ein nutzerfreundlicher Aufbau laden zum Shoppen ein. Die Seiten sind modern gestaltet, heißen KundInnen willkommen und würden genauso gut zu einer D2C-Brand für Naturkosmetik passen. Die Botschaft ist eindeutig: Es ist schön und gut, dass Du da bist. Schau Dich um, lass Dir Zeit, es ist für alle etwas dabei.

Diese und viele ähnliche Web- und Werbeauftritte sind bezeichnend für einen bemerkenswerten Imagewandel. Weg von verschämten Einkäufen, die in auffällig unauffällige Plastiktüten verpackt werden. Weit entfernt von dunkelrot und schwarz dekorierten Läden, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich haben.

Neue Plattformen für Sexual Wellness

Gerade, wenn es um die viel beschworenen Innovationen geht, steht die Sexual Wellness Branche anderen Sparten des digitalen Handels in nichts nach. Plattformen und Shops wie Femtasy, Cheex und Naturally Naughty ergänzen die Betrachtung von Sexual Wellness um Ansätze, die weit über den Vertrieb eines klassischen Erotikshop-Sortiments hinausgehen. 

Femtasy, von Nina Julie Lepique mitgegründet, bietet seit 2018 eine Streaming-Plattform mit erotischen Audioinhalten, die speziell auf die Bedürfnisse und Fantasien von Frauen zugeschnitten sind. Damit will das Unternehmen Erotik neu definieren, und zwar fernab des Male Gaze.

Das Berliner Startup Cheex, mit Denise Kratzenberg ebenfalls Female Co-Founded, hat sich den ethischen Zugang zu Pornografie zur Aufgabe gemacht. Dafür setzt die Plattform auf Vielfalt, Inklusivität und faire Produktionsbedingungen - weg vom Rand der Legalität und hin zu ästhetischen und hochwertigen Erotikfilmen. 

Ebenfalls weg vom wortwörtlich klebrigen Image des Sexual Wellness Zubehörs will das auch in Berlin ansässige Startup Naturally Naughty. 2021 von Ingwer Sörensen, Ina Neumann und Steffen Schwab gegründet, vertreibt die Brand eine Natural Sexual Biohacking Produktserie auf Basis von Ingwer - von Massageöl bis hin zu Ingwerspray. 

Diese und weitere Startups, Plattformen und Brands zeigen, dass Sexual Wellness nicht nur seiner Nische im digitalen Handel entkommen ist, sondern einer ganzheitlichen Betrachtung bedarf - für ein Angebot, dass so vielfältig und vielschichtig ist wie seine NutzerInnen. 

Verena Schlüpmann
Geschäftsführerin der K5
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Selbstliebe ist wichtig - und bunt

Dabei ist das Thema “Sexual Wellness” im E-Commerce natürlich nicht neu. Eis.de wurde bereits 2006 gelauncht, im selben Jahr eröffnete auch Erotikshop-Größte Beate Uhse ein eigenes Versandzentrum für den Onlinehandel in den Niederlanden. Was die Frage aufwirft, was sich seitdem verändert hat - und warum?

Den Anfang machte Amorelie, ein Unternehmen, das als Startup begann und 2012 von Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok gegründet wurde. Die beiden Founder hatten eine klare Strategie vor Augen: die Klischees des Erotikhandels hinter sich lassen, um junge Menschen anzusprechen. Deshalb entschieden sie sich für einen modern gestalteten Onlineshop, der mit fröhlichem Design und natürlichen Models anspricht. Ein Shop, dessen optisches Profil bewusst an das eines Lifestyle- oder Modeshops angelehnt ist. Denn so wird gerade neuen KundInnen der Einstieg in das Thema Sexual Wellness erleichtert.

Und auch im Marketing ging man noch einen Schritt weiter. 2013 ließ Amorelie den ersten TV-Werbespot produzieren, der mit Beginn des Jahres 2014 auf den Sendern der ProSiebenSat.1 Media ausgestrahlt wurde. Besonders bemerkenswert (und der Schock aller selbsternannten Sittenwächter): der Spot lief auch im Tagesprogramm.

Mit Offenheit und Lebensfreude zum Erfolg

2015 entschloss sich dann auch Mitbewerber Eis.de zum Start einer TV-Kampagne. Wie schon Amorelie wagte auch das Tochterunternehmen der Triple A GmbH einen bunten, fröhlichen Ansatz. Im darauffolgenden Jahr wurde ein weiterer Werbespot veröffentlicht, der dank seiner musikalischen Untermalung (‘Es rappelt im Karton’) und der pastelligen Farbgebung für einiges an Aufmerksamkeit und bundesweite Ohrwürmer sorgte. Auch diese Kampagne schaffte es in das Werbeprogramm diverser deutscher Privatsender.

Eine Zielgruppe im Wandel

Auffällig ist, dass vor allem die ersten Spots der beiden Unternehmen offensichtlich an eine weibliche Zielgruppe gerichtet sind. Sie sind bunt, ästhetisch, mit verschmitzter Erotik. Warum das so ist, lässt sich nicht eindeutig sagen, denn die führenden Unternehmen im Bereich Sexual Wellness betonen, dass ihr Sortiment auf KundInnen und Paare ausgerichtet ist.

Allerdings ist anzunehmen, dass in der weiblichen Zielgruppe das größte Potenzial erkannt wurde. Immerhin war das Verhältnis von weiblicher und männlicher Sexualität doch über Jahrhunderte eindeutig unausgeglichen. Und noch in den 60er und 70er Jahren sorgte Oswalt Kolle mit seinen Bemühungen um sexuelle Aufklärung für beide Geschlechter reihenweise für Bestürzung.

Die Zukunft ist farbenfroh und elegant

Auch der Onlineshop Eis.de ist optisch mit seinem zart-altrosa Design und geschwungener Schrift nach wie vor auf die weibliche Zielgruppe ausgelegt, obwohl hier ein breites Sortiment für KundInnen wie Paare angeboten wird. Die Strategie funktioniert. Während das Bielefelder Unternehmen 2018 bereits 130 Millionen Euro Umsatz machte, wuchs der Umsatz im Jahr 2019 auf 170 und im Jahr 2020 auf 219 Millionen Euro.

Die an eine weibliche Hörerschaft gerichtete Streaming-Plattform Femtasy setzt in Design und Aufbau ebenfalls auf eine helle Farbwelt aus hellem Rosa, kräftigem Orange in Kombination mit ästhetischen Bildern und einer cleanen Sans-Serif-Schrift.

Der Webauftritt des Satisfyer, eine weitere Marke der Triple A GmbH, ist hingegen weniger eindeutig an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet. Auch hier setzt man auf einen modernen, bunten Look. Allerdings wird mit großen, bunten Kacheln zu aktuellen Angeboten und Bestsellern direkt eine breitere Kundschaft angesprochen.

Und auch Amorelie hat sich mittlerweile, ähnlich wie Mitbewerber Satisfyer, für ein modernes und elegantes Design in hellen Farben und mit schlichter Typografie entschieden, das KundInnen und Paare gleichermaßen für den Shop gewinnen soll.

Sven Rittau
Geschäftsführer der K5
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Fazit

Eine Message vereint die Marketing-Strategien der Plattformen und Shops: Sexual Wellness, ob alleine oder als Paar, ist wichtig und trägt zum persönlichen Wohlbefinden bei. Und was einen Beitrag zum persönlichen Wohlbefinden so vieler Menschen leistet, hat im stillen Kämmerlein nichts mehr verloren. Die Daseinsberechtigung von Erotikshops, ob stationär oder online, steht endlich nicht mehr zur Diskussion.

Der Wandel im Bereich Sexual Wellness ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Tabuthema durch geschicktes Marketing und moderne Designstrategien salonfähig werden kann. Unternehmen und Plattformen wie Amorelie, Eis.de, Femtasy, Cheex und Naturally Naughty haben gezeigt, dass Offenheit, Aufklärung und Lebensfreude der Schlüssel zum Erfolg sein können. Denn sie haben nicht nur neue Zielgruppen erschlossen und einer ganzen Branche einen Imagewandel beschert, sondern auch das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung von sexuellem Wohlbefinden langfristig geschärft.

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