Zeit ist Geld. Selten dürfte ein Sprichwort so zutreffend sein wie für diese Ausgabe des ChefTreff Podcasts mit Chrono24 CEO Tim Stracke. Chrono24 ist der weltführende Marktplatz für gebrauchte Luxusuhren und seit 2010 führt Tim Stracke als geschäftsführender Gesellschafter die Firma.
Im Podcast sprechen Sven und Tim unter anderem darüber, warum der Unternehmenskauf manchmal besser sein kann als die Gründung, welche Rolle die Risikobereitschaft im Unternehmeralltag spielt und wie Luxusmarken sich dem digitalen Vertrieb nähern.
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Du willst nur bestimmte Teile des Podcasts hören? Hier findest Du eine Übersicht über die besprochenen Themen, mit der Du direkt zu den gewünschten Abschnitten springen kannst.
chrono24 versorgt Supply und Demand
Bei chrono24 werden sowohl professionelle Händler, als auch privat interessierte Kunden adressiert. Derzeit sind ca. 2300 Händler gelistet, die ihre Uhren über die Plattform an täglich 350.000 Nutzer verkaufen. Eines der zentralen Qualitätskriterien ist, dass nur sorgfältig ausgewählte Händler auf der Plattform verkaufen dürfen: “chrono24 steht für ein hohes Maß an Authentizität – wir haben die Effizienz eines Marktplatzes und gewährleisten dabei die Sicherheit, die man hat, wenn man direkt bei einem Händler kaufen würde.”
Bei chrono24 liegt der Fokus auf vintage und preowned, aber es gibt auch Händler, die neue bzw. ungetragene Ware verkaufen.
Das Marken-Dilemma…
Der Zugang zu diesen Zielgruppen ist auch für Marken interessant, immerhin handelt es sich um insgesamt 1 Mio. registrierte Nutzer. Allerdings stellt es besonders für große Marken eine Herausforderung dar, sich Online-Marktplätzen zu nähern. Nicht nur, weil die Marge deutlich höher ist, wenn der Hersteller direkt verkauft – diese liegt bei 40-50%. “Sie verkaufen in erster Linie keine Geräte, die die genaue Zeit anzeigen, sondern ein Image und eine Exklusivität. Für eine Rolex Daytona kann man schon mal fünf Jahre oder mehr auf einer Warteliste stehen.” Wenn man mit dieser Knappheit das Markenimage hochhalten will, widerspricht dies zunächst einem Verkauf über ‘klick and buy’.
Auf der anderen Seite wiederum ist das Einkaufserlebnis in der Luxusboutique gerade bei jungen Leuten nicht mehr so gefragt. Viel lieber lassen die sich ihre Ware viel bequem nach hause liefern. Wie also können Marken dieses Luxus-Erlebnis neu definieren, um im Markt nicht zurück zu fallen?
…und ein Lösungsansatz
Clubmodelle auf Plattformen wären beispielsweise eine Möglichkeit, Marken den Eintritt zu erleichtern, da hier der Aspekt der Exklusivität nach wie vor vorhanden ist. “Klar, Marken wollen nicht mit Discountpreisen in Verbindung gebracht werden, aber auch ein Frédérique Constant hat dann und wann das Bedürfnis Restanten zu verkaufen.” chrono24 bietet seit Kurzem “Brand Boutiquen” an. Hier können Kunden explizit auf eine Marke angesprochen werden, die sie schon auf ihren Merklisten hatten. Und auch hier gibt es Angebote, die ein besonderes Shopping-Erlebnis herstellen: Events oder exklusive Abendessen für die Kunden, Treffen mit Sammlern, usw.
“Da kann man wirklich extrem viel damit spielen und da wird sich in den nächsten Jahren noch einiges tun. Aktuell sind wir dazu auch mit großen Marken im Gespräch.”
Einmal Marktplatz, immer Marktplatz
chrono24 schien das perfekte Modell für Tim Stracke und seinen Kollegen Dirk zu sein. Denn die beiden sind schon früh die Lernkurven der Marktplatz-Welt abgefahren. “Wir haben gelernt, wie Online-Marktplätze funktionieren und dabei gelernt: Im Internet musst Du den Kunden besitzen. Und beim nächsten Projekt wollten wir vorne dabei sein!”
Wie gut, dass die beiden Uhren schon immer cool fanden. Also wurde das Marktpotenzial in diesem Bereich untersucht. Es stellte sich heraus, dass bei eBay das Transaktionsvolumen von Luxusuhren enorm ist. Tim war der Meinung: “Dieses Geschäft gehört nicht in die Hände von eBay!” 2009 wurde er auf chrono24 aufmerksam. Und das Konzept sagte ihm sofort zu. Stellte sich nun noch eine Frage: Selber etwas neues gründen und chrono24 entgegentreten oder kaufen.
Kaufen vs Gründen
Denkbar war beides. Nachdem sich die Verhandlungen mit den Eigentümern ein gutes Jahr hingezogen hatten, kam der Gedanke auf, entweder gegen chrono24 anzutreten oder es zu kaufen! Problem bei der Sache war, dass ein Entgegentreten nicht besonders glaubhaft war. Mit umfangreichen Recherchen und Analysen machten es sich Tim und Dirk zum Vorteil, dass sie das Unternehmen zum Zeitpunkt der Transaktion besser kannten als die Inhaber selbst. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: “Wir haben dann gemerkt, dass der Markenname stärker und selbst das Marktpotenzial größer als erwartet war! Wenn man sich über eine Akquisition in den Markt reinkauft, verschafft das einen ganz besonderen Vorteil: mindestens drei bis vier Jahre Lebenszeit! Denn alles, was ein Unternehmen in den ersten Jahren durchmacht, hast Du mit einer Akquisition dann schon alles durch!”
Diesen Schritt haben Tim und Dirk auch nie bereut. Deswegen legt Tim Gründungs-Interessierten ans Herz, durchaus zu überlegen, ein bereits bestehendes Unternehmen zu kaufen.
Wer wagt, gewinnt
Mit dieser Idee legten Tim und sein Team 2010 mit mächtig Dampf los. “Die Übernahme hat uns viel Geld gekostet, wir arbeiteten extrem viel zu niedrigen Gehältern in einem kleinen Büro. Irgendwann waren wir ein gut laufendes kleines Unternehmen und verdienten viel Geld. Und in dem Moment ist die Risikokurve runter gegangen. Aber: Das ist eigentlich nicht gut!”
Denn der Anspruch von chrono24 war und ist ein anderer: “Wir wollten nicht nur Lebenszeit und Geschwindigkeit gewinnen, sondern absoluter Marktführer in diesem Gebiet sein.” Sätze wie “Man müsste doch mal…” fielen wieder häufiger, ohne das etwas großartig passierte. 90% der Firma lag in den Händen von Tim und Dirk, aber wird damit nicht ziemlich viel verschenkt? Zu diesem Schluss kamen auch die beiden und wollten einen großen Partner ins Boot holen. Aber nicht den, der das meiste Geld für die wenigsten Anteile bot. Mit dieser klar formulierten Wachstumsperspektive investierte die New Yorker VC- und Private Equity – Gesellschaft Insight Venture Partners 2015 ca. 21 Mio Euro in chrono24.
“Wir wollten jemanden, den wir uns als langfristigen Partner für unsere Reise gut vorstellen können. Sowohl kulturell, als auch inhaltlich. Und da waren Insight Venture Partners einfach genau die richtigen für uns. Wir haben wahnsinnig viele Insights bekommen und bereuen daher nichts.”
Ein klares JA zu Secondaries
Mit Insight Venture Partners hatte chrono24 zudem einen Partner, der die Notwendigkeit erkannte, dass die Eigentümer mit der Transaktion auch einen kleinen Teil der Gelder “vom Tisch nehmen konnten”, also ein sogenanntes Secondary zu machen. Dabei kauft i.d.R. ein Investor den Gründern oder Eigentümern einen Teil der Anteile direkt ab. Ohne dass das neue Geld der Firma zufließt. In Deutschland und Europa ist dies immer noch ein Novum. Häufig sperren sich Altgesellschafter oder Neu-Investoren noch dagegen, im Zuge von Transaktionen auch Gründern Anteile direkt abzulaufen. In den USA ist dies ein eher gängiges und gelerntes Instrument. Wichtigste Voraussetzung für den Investor dabei ist und bleibt der Umstand, dass die Gründer hungrig bleiben und sich nicht mit der “ersten Kiste Gold” zufrieden geben. Denn der Investor zielt ja immer auf wertsteigernde Maßnahmen, sprich Wachstum statt Profit.
“Der Appetit auf mehr und die dafür nötige Risikobereitschaft muss auf Gründer- bzw. Unternehmerseite schon weiterhin vorhanden sein.”
Die 3 Investmentregeln von Tim Stracke
Mit etwas “Cash behind the firewall” stellt sich natürlich für Tim auch die Frage, wie investiere ich mein eigenes Geld richtig. Hier hat er drei Aspekte für sich erkannt: Kosten, Zeit und Marktverständnis. Zum Einen achtet er darauf, immer kostengünstig zu investieren. Zum Zweiten ist es für ihn wichtig, dass die Investments ihn selber keine Zeit kosten. Aus eigener Erfahrung weiß Tim, dass Angel Investments beispielsweise sehr zeitintensiv sind und er deswegen lieber die Finger davon lässt. Der dritte, und wahrscheinlich wichtigste Punkt: “Ich versuche dort zu investieren, wo ich mich persönlich auskenne. Mit dem richtigen Know-How fährt man einfach besser.”
Zwar fände Tim ein Investment im Gaming-Bereich ziemlich cool, allerdings traut er sich das einfach nicht zu. Da bleibt er lieber bei dem, was er kann: Marktplätze. Und wie man an chrono24 sehen kann, ziemlich erfolgreich.
Auch beim Investieren gilt ein gesundes Maß an Risikobereitschaft. “Wenn Dein privater Lebensstil deutlich unter Deinen finanziellen Möglichkeiten liegt, kann man sich das auch mal leisten. Sollte es mal schiefgehen, muss man seinen Lebensstil nicht komplett einschränken, weil er ja schon relativ niedrig ist. Mein Tipp daher: Lebe zwei oder drei Ligen unter dem, was Du eigentlich könntest.”
Podcast Übersicht
02:40 Wo steht Chrono24 heute, wie ist Euer Geschäftsmodell aufgebaut und wie wird dieses monetarisiert?
05:25 Wie gewährleistet Chrono24 die Echtheit der Zeitmesser und bietet dadurch seinen Kunden hinreichenden Käuferschutz?
08:45 Vor welchen Herausforderungen steht die Digitalisierung des Luxusuhrenmarkts und welches Dilemma ergibt sich dabei für alt eingesessene Uhrenmarken?
17:40 Welche Überlegungen standen hinter Eurem “Management Buy In” und welche Kennzahlen wurden für die Unternehmensbewertung herangezogen?
29:48 Nach welchen Kriterien sollten Gründer ihre Investoren vor einer Beteiligung bewerten und wie beurteilst Du den “trade-off” zwischen Zeit und Geld?
36:05 Wie beurteilst Du “Secondaries” zur Realisierung einer finanzieller Rendite und was muss dabei beachtet werden?
39:05 Wie steuert man als Investor die Motivation des Gründers und inwieweit kann diese durch ein Secondary beeinflusst werden?
47:38 Frei nach dem Motto “Put your money where your mouth is!”, welche Anlagestrategie verfolgst Du?
56:50 Wie beurteilst Du Uhren als Anlageobjekt und welche Modelle eignen sich für Einsteiger?