Vielleicht haben Sie’s mitbekommen: In diesem Jahr könnte es ein bisschen knapp werden, wenn Sie als Händler Ihren Kunden die online bestellten Geschenke noch rechtzeitig zum Fest unter den Baum legen lassen wollen. Weil es der beauftragte Paketdienst vielleicht gar nicht erst bis zur Wohnung des Bestellers schafft.

Seit Wochen warnen die großen Dienstleister vor Engpässen im Vorweihnachtsgeschäft. Die erwarteten Paketvolumina könnten in diesem Jahr deutlich die zur Verfügung stehenden Kapazitäten überschreiten. Während sich Jochen Krisch und Marcel Weiß im aktuellen Exchanges-Podcast von Exciting Commerce („Logistik am Limit“) fragen, wann eigentlich die ersten Online-Händler auf die Barrikaden gehen, haben die Unternehmen sehr spezielle Lösungen parat:

Hermes will die „Kraftprobe“ meistern, indem „mit einzelnen Onlinehändlern erstmals regionale Mengenobergrenzen“ vereinbart werden (siehe dazu auch Exciting Commerce). Sicher hat die Otto-Tochter auch ein paar Tipps parat, wie die Händler das ihren Kunden erklären sollen.

DPD-CEO Boris Winkelmann lagerte das Problem gerade an die Städte und Kommunen aus (nochmal: Exciting Commerce) und forderte: „Reservierte Parkflächen für Zusteller könnten zum Beispiel einen großen Beitrag dazu leisten, den Lieferverkehr verträglich zu gestalten.“

Und Deutsche-Post-Vorstandschef  Frank Appel schlug im „Handelsblatt“ vor, die Städte könnten, um wenigstens den Zustellverkehr nicht weiter ausufern zu lassen, per Ausschreibung „jemanden beauftragen, der die City-Logistik exklusiv für eine festgesetzte Zeit übernimmt – vielleicht für zehn Jahre“. Jemanden – wie DHL.

Die gute Nachricht ist: Es wird endlich über ein Problem geredet, das sich nicht mehr ignorieren oder wegdiskutieren lässt. Richtig schlaue Lösungen sind in dieser Debatte bislang jedoch nicht in Sicht.

„Die KEP-Dienste verbauen sich viele Lösungsansätze“

Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, glaubt Markus Ziegler – vorausgesetzt, die Unternehmen freunden sich mit dem Gedanken an, dass nicht alles so weitergehen kann, wie bisher. Ziegler ist Mitglied der Geschäftsleitung der LGI Logistics Group und Geschäftsbereichsleiter des unternehmensinternen Start-ups Pakadoo, das sich seit 2014 mit dem Thema Paketbündelung aussetzt. Die könnte in den kommenden Jahren zu einem der großen Trends in der Branche werden, um der zunehmenden Paketflut zu begegnen. Vor allem, wenn firmenübergreifende Lösungen gefunden werden.

Genau damit tun sich KEP-Dienste aber oft schwer, sagt Ziegler im K5-Gespräch:

„Viele Paketdienstleister scheuen bislang noch die Zusammenarbeit und bestehen auf Lösungen, die aus ihrem Haus und mit ihrem Design auf den Markt kommen müssen. Mit dieser Strategie verbauen sich die KEP-Dienste aber vielen Lösungsansätze.“

Ziegler glaubt, die Dienstleister fürchten, „die Kunden könnten nicht mehr wahrnehmen, welches Unternehmen ihnen ihr Paket vorbeibringt“.

„Das mag bei der Übergabe an der Haustür auch weiterhin relevant sein. Aber die wird ja jetzt schon immer stärker zur Ausnahme.“

Keine Frage: Die Haustürzustellung ist einer der großen Vorteile für Kunden, die im Internet einkaufen – weil die Ware theoretisch bequem zu ihnen nachhause kommt, und nicht mehr andersherum. Inzwischen stellen die Dienstleister allerdings öffentlich in Frage, ob das so bleiben kann. DPD-CEO Winkelmann erklärte gegenüber „Internet World Business“: „In fünf, sechs Jahren ist die Haustürzustellung vielleicht nicht mehr selbstverständlich erste Wahl, und die Standardzustellung geht zum Paketshop.“

Für Kunden bedeutet das jedoch: in zwei, drei, vier oder mehr Paketshops, abhängig vom jeweiligen Versanddienstleister.

Pakete dahin lenken, wo die Empfänger ohnehin sind

Pakadoo-Chef Ziegler sagt, für große Händler wie Amazon habe die Heimzustellung immer noch oberste Priorität.

„Gleichzeitig ist aber allen bewusst, dass die Kunden dort immer seltener zu erreichen sind. Ich glaube, Kunden werden ihre Pakete in Zukunft noch viel öfter selbst abholen auf dem Weg nachhause. Die Frage ist nur, wie komfortabel das gestaltet werden kann.“

Ziegler meint: sehr viel komfortabler. Deshalb versucht Pakadoo, Online-Bestellern ihre Pakete dort hinzuleiten, wo sie ohnehin jeden Tag sind: an den Arbeitsplatz.

Mit Zustimmung des Arbeitgebers scannt z.B. die Poststelle oder der Empfang eines Unternehmens die offiziell an die Firmenadresse geschickten (Privat-)Pakete der Mitarbeiter. Der Empfänger wird anschließend automatisch per E-Mail benachrichtigt, dass er sich seine Sendung in der Mittagspause oder nach Feierabend am firmeninternen „Pakaodoo-Point“ abholen kann.

„Unsere Erfahrung ist: je zentraler ein Pakadoo-Point im Unternehmen liegt, desto mehr wird er genutzt“,

sagt Ziegler. Unternehmen können profitieren, indem sie ihren Angestellten unnötigen Paketeinsammelstress sparen, damit sie sich auf ihren Job konzentrieren können.

Und die Paketdienste sparen sich aufwändige Einzellieferungen in Wohngebiete, wo die Empfänger tagsüber ohnehin nicht anzutreffen sind, und geben einen Teil der Zustellungen gebündelt ab. Dafür zahlen sie (ähnlich wie beim Paketshop-Modell) eine Provision an Pakadoo.

Bislang haben u.a. Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Hewlett-Packard, die Landesbank Baden-Württemberg und die Stadt Hamburg „Pakadoo-Points“ für ihre Mitarbeiter eingerichtet. Auch Amazon hat das Start-up als Zustellalternative erkannt und eine eigene Hilfe-Seite für Kunden eingerichtet.

Kommen Carrier-unabhängige Mikrodepots?

Dabei soll es nicht bleiben. Ziegler ist davon überzeugt, dass es „zu einer echten Entlastung der Carrier führen“ könne, „wenn wir Abholpunkte an den richtigen Plätzen aufstellen“. Und dass es künftig viel mehr solcher Lösungen geben müsse, um der weiter steigenden Zahl der Pakete aus dem E-Commerce Herr zu werden:

„Ein zentrales Thema für die Logistik der Zukunft werden deshalb sicher Carrier-unabhängige Mikrodepots sein.“

Noch bastelt jedes Unternehmen weiter an eigenen Lösungen. Kooperationen wie die zwischen Hermes, DPD und GLS für den Parcellock-Paketkasten im Vorgarten sind die Ausnahme – und spielen offensichtlich (noch) keine besonders große Rolle. (Auf Anfrage äußert sich Parcellock auch über ein Jahr nach dem Start nicht zu konkreten Nutzerzahlen: „Mit der deutschlandweiten Verbreitung von Produkten mit Parcellock System sowie den Registrierungen ist Parcellock bisher zufrieden. Genaue Zahlen möchte Parcellock aus Wettbewerbsgründen nicht nennen“, erklärt eine Sprecherin.)

Pakadoo-Geschäftsführer Ziegler glaubt, dass die Paketdienste ohnehin umdenken müssen:

„Aus meiner Sicht ist es viel spannender, sich mit den Kunden digital zu vernetzen.“

Vielleicht sehe der Paketempfänger künftig seltener den Laster mit dem Logo seines Zustellers – und kriege dafür Carrier-spezifische Benachrichtigungen und Angebote in sein Postfach oder aufs Smartphone gepusht. Auch Pakadoo will solche Möglichkeiten testen und arbeitet dafür eng mit einem Zustelldienst zusammen, den Ziegler auf Nachfrage noch nicht nennen mag.

Pakadoo-Points in Einkaufszentren und im Nahverkehr

Dazu versucht das Start-up, sich flexibler aufzustellen. Einerseits, indem man Unternehmen anbietet, Paketschränke zu installieren, an denen die Paketabholung unabhängig von regulären Arbeitszeiten möglich ist – und über die man mit der eigenen Software zusätzliche firmeninterne Dienstleistungen anbieten kann (z.B. Kopien- oder Dokumentübergaben).

Zu den ersten Nutzern der Paketschränke gehört die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens Fraport.

Und andererseits, indem man das Bündelungsmodell auch außerhalb von Unternehmen etabliert:

„Um schneller zu expandieren, wollen wir Anfang Februar [2018] den ersten Pakadoo-Point in einem Einkaufszentrum einrichten und haben dafür bereits einen Partner gewonnen. Dort wird nicht nur die Abholung von Paketen möglich sein, sondern auch von Lieferungen aus dem lokalen Handel, der die Stelle als zentralen Click-&-Collect-Punkt nutzen kann.“

Zudem verhandele man „mit einer größeren Handelskette für Fashion“ sowie zwei großen Mobilitätsprovidern, „um Pakadoo-Points an zentrale Umstiegspunkte im öffentlichen Nahverkehr zu bringen“.

Händlern kann das nur recht sein, wenn es ihnen dabei hilft, neue Lösungen zu identifizieren, um eine Zustellung an den Kunden – wo und wie auch immer – weiterhin zu gewährleisten.

Die Paketdienste widerum müssen sich entscheiden, inwiefern sie bereit sind, (wettbewerbsrechtlich unbedenkliche) Möglichkeiten zur Kooperation selbst zu organisieren. Oder ob sie das langfristig Dritten überlassen möchten, die damit zunehmend Einfluss darauf gewinnen, wie und wo E-Commerce-Kunden künftig ihre Bestellungen empfangen.

Ziegler ist jedenfalls überzeugt:

„Wenn wir Pakete bündeln wollen, dann muss das an Orten geschehen, wo sich die Empfänger ohnehin jeden Tag aufhalten oder hinbewegen.

Fotos: Pakadoo