Die Food & Delivery Branche hatte es auch schon mal einfacher. Denn nach dem beispiellosen Hoch ab 2020, vor allem in DACH, kam in den letzten 12 Monaten die Rückkehr zur Realität. Eine teils sehr Ernüchternde. Die Intensität dieser Ernüchterung variiert natürlich von E-Food-Player zu E-Food-Player. Einen Faktor aber bekommen alle Anbieter der Branche zu spüren: die Kauflaune der Kund*innen ist aufgrund der hohen Inflation nach wie vor stark beeinträchtigt, im März 2023 lag sie bei 7,4%. Denn der Lebensmittelhandel, ob stationär oder online, ist dabei für viele Konsument*innen die deutlichste Messgröße der Inflation. Immerhin ist der Lebensmitteleinkauf ein oft täglicher, mindestens aber wöchentlicher Bestandteil des Alltags. Zudem sind auch die Unternehmen mit gestiegenen Energie- und Kraftstoffkosten konfrontiert.

Die Suche nach der Stellschraube

 

Auf diese Umstände müssen die Food & Delivery Player reagieren. Denn die Trennung von Spreu und Weizen ist ohnehin schon voll im Gange. So mancher Anbieter, von Quick Commerce bis zum Ethno-Lieferservice, steht bereits auf der Kippe mit Tendenz zum Absturz. Da sich nun aber die Wurzel des aktuellen Übels auch vom beherztesten E-Food-Anbieter nicht ausreißen lässt, müssen Kund*innen auf anderer Ebene gewonnen und vor allem gehalten werden.

Zahlreiche Player haben daher beschlossen, an einer ganz bestimmten strategischen Stellschraube zu drehen: den Lieferkosten. Dabei scheint es für die Anbieter im E-Food übrigens nur zwei mögliche Richtungen zu geben. Entweder so unkompliziert und übersichtlich wie irgendwie möglich oder so verwirrend wie das Spiegelkabinett auf dem örtlichen Rummel.

(Fast) Kostenfreier Komfort

 

Auf ein sehr simples und kostenfreies Modell setzt bspw. der niederländische Anbieter PICNIC, der aktuell in NRW und Hamburg aktiv ist: nach dem altbekannten Milchmann-Prinzip sind die Lieferant*innen zu festen Zeiten in bestimmten Gebieten unterwegs. Am ausgewählten Liefertag werden die Kund*innen vormittags über den etwa 30 Minuten umfassenden Lieferzeitraum informiert. So können die Routen effizient geplant werden. Das Modell hat in NRW so gut funktioniert, dass Anfang April mit der Belieferung der Hamburger Randgebiete begonnen wurde. Berlin soll zeitnah folgen. Wie gut das Konzept in den deutschen Großstädten funktioniert, werden also die nächsten Monate zeigen.

Eine unter bestimmten Umständen kostenfreie Lieferung bietet auch der Schweizer E-Food-Player Farmy an. Doch die gesamte Schweiz und Liechtenstein kostenlos zu beliefern, lasse sich nicht mit der nachhaltigen und umweltfreundlichen Mission des Unternehmens vereinbaren, wie Mitgründer und Co-CEO Tobias Schubert einmal erklärte. Das gesamte belieferte Gebiet wurde also in drei Zonen (A, B und C) aufgeteilt. Während in Zone A die kostenfrei und mit E-Mobilen ausgeliefert wird, erfordern die Zonen B und C mehr Aufwand. Diesen Umstand löst Farmy mit Small Order Fees und wegfallenden Lieferkosten ab einem bestimmten Bestellwert. Mit diesem Konzept fährt der Player gut, der durchschnittliche Bestellwert ist so innerhalb eines Monats um 20% gestiegen.

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Auch E-Food-Newcomer Oda setzt auf effiziente Routenplanung. Der norwegische Player arbeitet allerdings ohne das Milchmann-Prinzip oder einen Mindestbestellwert, sondern ausschließlich mit einer Small Order Fee von 2,99 Euro und kostenfreier Lieferung ab einem höheren Warenwert und in bestimmten Zeitfenstern. Damit macht Oda, wie auch Mitbewerber PICNIC, Neukund*innen den Einstieg besonders leicht.

 

 

Es ist kompliziert(er)

 

Mit einem eher komplex anmutenden Modell werden hingegen Kund*innen von Knuspr konfrontiert. Die E-Food-Tochter von Rohlik hat sich im Großraum München und im Rhein-Main-Gebiet gut positioniert, musste aber seit seinem Deutschland-Start mehrfach an den Lieferbedingungen schrauben. Die oft sehr schnell aufeinander folgenden oder wieder zurückgezogenen Änderungen sorgen immer wieder für Verwirrung in den ohnehin recht unübersichtlichen Lieferkosten des Food & Delivery Players.

So wurde eine Verdopplung der Small Order Fee nach zwei Tagen rückgängig gemacht. Anfang April wurde zudem der Mindestbestellwert gesenkt, nachdem Knuspr umfangreiche Kundenbefragungen durchgeführt hatte. So soll die Anzahl von kleineren Einkäufen unter der Woche erhöht werden. Die Kosten für eine Lieferung unter einem Warenkorb von 89 Euro unterscheiden sich allerdings nach wie vor von Wochentag zu Wochentag und Zeitfenster zu Zeitfenster.

Und auch amazon Fresh, ohnehin nur von Prime-Kund*innen nutzbar, hatte Ende Januar nicht nur den Mindestbestellwert erhöht, sondern zusätzliche Gebühren eingeführt. Zu Lieferzeiten mit besonders hoher Nachfrage konnten Nutzer*innen dann, je nach Wochentag und Zeitpunkt, eine höhere Rechnung begutachten. Dieses Konzept überlebte dann wenig überraschend nur einige Wochen. Komplizierte Lieferbedingungen sind nunmal kein gutes Accessoires für ein wackeliges Standing im Lebensmittelhandel.

 

 

Der Wald darf nicht hinter den Bäumen verschwinden

 

Auch wenn hier nur ein halbes Dutzend Beispiele genannt wurden, so lässt sich doch ein Muster erkennen: auch wenn eine kostenfreie Lieferung das Armdrücken immer gewinnen wird, so sind Kund*innen doch bereit Lieferkosten für Komfort, Nachaltigkeit und Qualität zu bezahlen. Problematisch wird es dann, wenn etwaige Gebühren ins Unverhältnismäßige lappen oder der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen ist. Anfallende Lieferkosten in Food & Delivery müssen zudem für Kund*innen nachvollziehbar sein, der Hintergrund deutlich, die Zusammensetzung logisch. Und sobald für die Lieferung und den Lieferzeitpunkt des Wocheneinkaufs mit dem Tabellenprogramm der Wahl gearbeitet werden muss, leidet der Komfort. Und dann ist der Weg zum nächsten Supermarkt vielleicht doch nicht mehr so weit.

 

Von Katrin Grieser

 

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