Der Begriff Recommerce ist schon lange kein Fremdwort mehr. Bereits 2006 begründete momox mit dem Online-Shop Medimops den Recommerce auf dem deutschen Markt. Der Fokus des Second-Hand-Handels lag dabei in erster Linie auf Medien wie DVDs, CDs und Büchern. Inzwischen hat der Trend zum Second Hand aber auch die Mode erreicht. Es ist die Antithese zur Fast Fashion, der Gegenentwurf zu großen Ketten, die aktuelle Trends für wenig Geld anbieten. Second-Hand-Mode, digital, zeitgemäß und mit Stil.
Eine zu schließende Lücke
Diese Nische entdeckten zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts gleich mehrere Unternehmen für sich. 2012 gründeten Maria Spilka, Peter Ambrozy und Thorsten Lückemeier in Stuttgart Mädchenflohmarkt. 2013 folgten Cécile Wickmann und Max Schönemann mit der Gründung von REBELLE. Und auch momox erweiterte 2013 sein Sortiment um Second-Hand-Mode.
Mit Second Love stieg 2020 auch E-Commerce-Größe ABOUT YOU in den Fashion-Recommerce ein. Und Fast-Fashion-Riese H&M launchte Mitte des Jahres 2021 mit seiner schwedischen Tochterfirma Sellpy ebenfalls eine Plattform für gebrauchte Kleidung in 20 europäischen Ländern. Der Handel mit gebrauchter Mode trifft einen Nerv und entspricht dem Zeitgeist.
Die Fashion-Plattformen funktionieren nach dem im Recommerce üblichen Prinzip. Sie ermöglichen Kauf und Verkauf von gebrauchten aber gut erhaltenen Kleidungsstücken, Accessoires oder Schuhen. Doch Ansatz und Branding der Unternehmen unterscheiden sich deutlich.
Von Fast Fashion bis Luxus
Mädchenflohmarkt und REBELLE setzen auf den Wohlfühlfaktor. Die C2C-Plattformen sind übersichtlich und elegant gestaltet und legen viel Wert auf ein entstaubtes Konzept mit Stil und hellen Farben. Sie sind auf Nutzerinnen ausgelegt und unterscheiden sich vor allem im Sortiment. Während Mädchenflohmarkt die ganze Bandbreite an Fashion Brands abdeckt, bietet REBELLE Recommerce von Marken des Luxus-Segments. Beide Unternehmen arbeiten überwiegend mit privaten, aber auch mit gewerblichen Verkäufer*innen zusammen.
Und es gibt eine weitere, ganz besondere Gemeinsamkeit: REBELLE und Mädchenflohmarkt bieten zusätzlich einen Concierge-Service an. Dieser nimmt den Verkäufer*innen – gegen eine Provision – alle Arbeit ab, von professionellen Bildern für die Plattform bis hin zum Versand an Käufer*innen. Bei REBELLE ist dieser Service für alle Stücke gedacht, bei Mädchenflohmarkt hingegen ist er auf außergewöhnliche und Vintage-Mode ausgelegt. Beide Unternehmen bieten außerdem unter bestimmten Umständen die kostenlose Rücksendungen für Artikel an. So können auf REBELLE nur gewerblich vertriebene Stücke und auf Mädchenflohmarkt Kleidung aus dem Concierge Service zurückgesandt werden.
momox Fashion präsentiert dagegen sich über einen anderen Ansatz. Das Sortiment der einfach gestalteten C2C-Plattform ist sowohl auf erwachsene Kund*innen als auch auf Kinder ausgelegt. Sie umfasst überwiegend Marken des Mainstream und Mainstream Premium Segments. Im Vordergrund stehen auf dieser Plattform die unkomplizierte Abwicklung und die günstigen Preise. momox Fashion bietet seinen Nutzer*innen zudem den kostenlosen Versand und Rückversand an.
Der Einstieg der Fast-Fashion-Retailer
Mit seinem Tochterunternehmen Sellpy ist auch der schwedische Fast-Fashion-Konzern H&M im Handel mit Second-Hand-Mode vertreten, seit 2020 auch auf dem deutschen Markt. Während der Kauf von gebrauchten Stücken nach dem bekannten Prinzip funktioniert, wird der Verkauf auf Sellpy sehr unkompliziert abgewickelt: Verkäufer*innen bestellen sogenannte Sellpy-Taschen, die mit allem gefüllt werden können, was einen Wert von 5 Euro übersteigt. Diese können kostenlos an das Unternehmen gesendet werden. Um alles weitere, Fotos, Versand und Zahlung, kümmert sich Sellpy gegen eine kleine Gebühr. Auch Rücksendungen sind nicht kostenfrei, aber innerhalb von 30 Tagen möglich. Alle Einsendungen, die nicht verkauft wurden, werden gespendet oder recycelt.
Der Online-Fashion-Retailer ABOUT YOU hat sich hingegen nicht für eine eigenständige Plattform entschieden. Mit Second Love wurde die Recommerce-Kategorie in die bereits bestehende Plattform des Unternehmens integriert. Das Sortiment für die Preloved-Fashion-Abteilung wird ausschließlich von gewerblichen Second-Hand-Partnern wie zum Beispiel Mädchenflohmarkt und VinoKilo bezogen. Angeboten wird das gesamte Spektrum an Mode – von Fast Fashion bis Luxus. Die Integration der Kategorie erlaubt es Kund*innen für alle Kategorien einen Warenkorb und so den kostenlosen Versand und Rückversand zu nutzen.
Sortiment | Services | Retoure | Gründung | |
momox Fashion | Mainstream und Mainstream Premium für Damen, Herren und Kinder | Innerhalb von 30 Tagen möglich; kostenlos | 2013 | |
Mädchenflohmarkt | Mainstream Premium für Frauen | Concierge Service für besondere Stücke | Bei Concierge-Artikeln innerhalb von 72 Stunden möglich; kostenlos | 2012 |
REBELLE | Luxussegment für Frauen | Concierge Service für alle Stücke | Bei Artikeln gewerblicher Verkäufer innerhalb von 14 Tagen möglich; | 2013 |
Second Love | Gesamtes Spektrum für Damen und Herren | Ist vollständig in ABOUT YOU integriert | Innerhalb von 14 Tagen möglich; kostenlos | 2020 |
Sellpy | Gesamtes Spektrum für Damen, Herren und Kinder | Unkomplizierter Verkauf; Fotos und Versand werden von Sellpy übernommen | Innerhalb von 30 Tagen möglich; kostet 4,95 pro Rücksendeetikett | 2014 |
Eine Chance für alle Händler
Der Handel mit Preloved Fashion ist profitabel. Das liegt neben der weltweiten Ausnahmesituation auch am anhaltenden Trend zur Nachhaltigkeit. Kleidungsstücke, die nicht mehr passen oder gefallen, müssen nicht mehr im Keller verstaut oder zu Altkleidersammlungen gebracht werden. Sie können schnell, unkompliziert und sogar gewinnbringend verkauft werden.
C2C-Marktplätze wie momox Fashion und Mädchenflohmarkt verzeichnen sechs- bis siebenstellige Nutzerzahlen und Umsätze im zweistelligen Millionenbereich. momox Fashion erzielte 2020 beispielsweise einen Umsatz von 47 Millionen Euro, was 15% des Jahresumsatzes der momox GmbH ausmacht. Der Jahresumsatz von Sellpy lag im selben Jahr bei bereits 200 Millionen Kronen (umgerechnet 19,5 Millionen Euro).
Ein guter Ansatz, aber nicht die Lösung für alles
Recommerce als Teil der Konzepte etablierter Unternehmen ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und die Mode-Sparte des Recommerce gerade im deutlichen Aufstieg. Die letzten zwei Jahre bescherten Plattformen wie Mädchenflohmarkt ein Wachstum von 50 Prozent.
Doch viele Kritikpunkte an der Modeindustrie, insbesondere der Fast Fashion, lassen sich auch durch den wachsenden Erfolg von Recommerce-Fashion nicht vollständig lösen. Denn trotz des Einstiegs in den Second-Hand-Markt bleiben der Kern der Fast-Fashion-Größen und die damit verbundenen Probleme, wie massive Umweltverschmutzung und unfaire Arbeitsbedingungen, erhalten.
Der Komfort des Online-Shoppings bedeutet außerdem auch beim Handel mit Preloved Fashion, dass Dinge versandt werden müssen. Das bedeutet nicht nur Verpackungsmüll, sondern auch teils sehr lange Transportwege. Beides wirkt sich ungünstig auf die Klima-Bilanz aus.
Zudem liegt der Fokus der Second-Hand-Mode, im Vergleich zu Fast Fashion, noch nicht auf den neuesten Trends zum möglichst geringen Preis. Wenn sich neue Trends entwickeln und die Nachfrage nach einem Artikel sprunghaft steigt, suchen die meisten Kund*innen im Angebot der Fast-Fashion-Ketten nach günstigen und schnell verfügbaren Stücken. Deren Erwerb erfordert, im Gegensatz zum Second-Hand-Shopping, weder viel Zeit noch Kreativität.
Die Kritikpunkte an Fast Fashion, wie etwa die massive Überproduktion oder die schlechten Arbeitsbedingungen, bleiben also weiter bestehen.
Von Katrin Grieser
Foto: Photo by Liza Summer from Pexels
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