Es ist schon lange keine Neuheit mehr, aus einem Tabu einen Trend zu machen und die Nische für sich zu nutzen. Dass immer mehr Startups in der Gesundheitsbranche mit dem Fokus auf die Frau gründen, ist richtig und wichtig. Lange wurde der weibliche Körper in der Medizin vernachlässigt, da er für die Forschung zu komplex war. Die moderne Welle der Emanzipation und Gleichberechtigung legt nun den Fokus auf diese Missstände. Sie bietet für Medizin und Wirtschaft gleichermaßen Nachhol- und Entfaltungspotenzial.

 

Doch während in der Frauengesundheit die Angebote stetig wachsen, scheint es hingegen in der Männerwelt kaum ein innovatives Startup zu geben. Hin und wieder nehmen sich Unternehmen dem männlich bedingten Haarausfall an, wie der Klassiker Alpecin oder die Marke mySpring. Auch ist immer wieder mal die Potenz im Spotlight. Hier bietet GoSpring (die Schwestermarke von mySpring), neben Produkten bei Erektionsstörungen auch digitale medizinische Beratung an. Das Auftreten der Brands, die zur Münchner Wellster Healthtech Group gehören, ist schlicht und modern. Der Versuch ist da, die männliche Gesundheit aus dem peinlich berührten Image zu holen. 

 

Wenn die Männerwelt still wird

 

Es scheint nicht wirklich ein Unternehmen zu geben, was sich über die bereits bekannten Probleme bei Männern hinauswagt. Zugegeben, die weibliche Gesundheit ist im Vergleich zur männlichen noch recht unerforscht und bietet daher auch der Wirtschaft noch ein enormes Potenzial. Zum Beispiel sind Medikamente in der Regel bei Dosierung und Zusammenstellung auf den männlichen Körper ausgerichtet. Dennoch besteht die Gesundheit eines Mannes nicht nur aus dessen Haarwuchs und Potenz, weshalb sich auch in diesem Bereich eine lukrative Nische ergeben könnte. Anhand der folgenden Beispiele aus der weiblichen Gesundheitsbranche ist zu sehen, wie man erfolgreich diese Nische für sich nutzen und ein Tabu als Marketingstrategie umsetzen kann.

 

Marketing meets Ideologie  

 

Female Empowerment, Sexual Awareness und Gleichberechtigung sind mittlerweile Themen, die mitten in der Gesellschaft angekommen sind. Doch nicht nur in die Gesellschaft oder die Politik setzt sich damit auseinander. Auch die Handelswelt beschäftigt sich zunehmend mit mit diesen Faktoren. Den Anfang im Retail machten unter anderem femtasy, AMORELIE und Co., die mit ihren Produkten vor allem Frauen ansprechen und somit auf die weibliche Lust, die bis dato ein absolutes Tabu  – ja eigentlich gar nicht vorhanden war, aufmerksam machten. 

 

Nach und nach, vor allem in den letzten Jahren, rückte der Fokus des Handels nicht nur auf die weibliche Erotikwelt, sondern verstärkt auf den weiblichen Körper und dessen Gesundheit. Nie zuvor wurde der Zyklus, die Monatsblutung, eine Schwangerschaft und der Hormonhaushalt einer Frau so offen besprochen und analysiert. Damit einhergehend wurden auch Menstruationsartikel, Hormonpräparate und Nahrungsergänzungsmittel thematisiert. 

 

Man kann also sagen, dass infolge der modernen Emanzipationsbewegung das Tabu “Frau sein” endgültig gebrochen ist und nun den Platz im Rampenlicht eingenommen hat. Darüber hinaus ist die Frauengesundheit für die moderne Handelswelt zu einer enormen, noch in Gänze nicht genutzten Marketingstrategie geworden. Sexual Awareness und Wellbeing bietet vor allem Startups eine Nische mit viel Potenzial. 

 

 

The Female Company, femitale und Co. sehen rot

 

Allen voran, die das Potenzial Frauengesundheit erkannt und für sich die Nische genutzt haben, ist The Female Company. Das Unternehmen wurde 2018 von Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier gegründet. Ihre Motivation ist neben den herkömmlichen Menstruationsartikeln eine echte, schadstofffreie Alternative für Frauen zu bieten. Ebenfalls machten sie auf die wirtschaftliche und steuerliche Benachteiligung der Frau aufmerksam und forderten die Abschaffung der Luxussteuer auf weibliche Hygieneartikel, was 2020 schließlich auch erfolgreich umgesetzt wurde. Mittlerweile ist das Sortiment von The Female Company nicht mehr auf Menstruationsprodukte beschränkt, sondern umfasst auch Schwangerschaft, sexuelle Lust und Gesundheit. 

 

Unternehmen wie femitale, welche Produkte mit Fokus auf Menstruationsschmerzen verkaufen, oder Femna Health, ein Anbieter für Hormontests und Nahrungsergänzungsmittel, machen es den Vorreitern gleich. Sie machen auf ein vorher selten bis gar nicht thematisiertes Problem, wie starke Periodenschmerzen oder ein unregelmäßiger Zyklus, aufmerksam und bieten ihre Produkte als die Lösung an. 

 

 

Femna Health – der digitale Frauenarzt?

 

Femna Health zum Beispiel ist ein rein digitales Berliner Startup, was eng mit Frauenärzt*innen zusammen arbeitet und sich zur Aufgabe gemacht hat, hormonelle Ungleichgewichte bei Frauen nicht nur in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurs’ zu rücken, sondern diese zu behandeln und die Situationen der leidenden Frauen zu verbessern. Mithilfe eines Speicheltests sollen mögliche hormonelle Ungleichgewichte herausgefunden werden. Anhand der Resultate finden anschließend digitale “Sprechstunden” statt, in denen mögliche Ursachen und Lösungen thematisiert werden. Zudem bietet Femna Health auch Nahrungsergänzungsmittel an, welche die weibliche Gesundheit stärken sollen. 

 

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Purpose-driven Startups gründen in der Frauengesundheit

 

Man stellt fest, dass Unternehmen, die in die Nische “Frauengesundheit” gehen, überwiegend purpose-driven gründen. Brand Awareness schaffen sie nicht zwangsläufig durch das Produkt an sich, sondern durch Aufdeckung von Missständen oder Forderung nach Gleichberechtigung, was am Beispiel von The Female Company zu sehen ist. Die Marketingstrategie ist also ganz klar: Aufmerksamkeit auf ein Tabu oder Ungleichgewicht lenken und das eigene Produkt als Teil der Lösung anbieten. 

 

Auch Femna Health und femitale erlangen vor allem durch ihre Social Media Channels Aufmerksamkeit. Sie sprechen dadurch direkt zu ihren Kundinnen und können diese damit auch schneller auf Probleme aufmerksam machen. Und folglich ihre Lösung anbieten. Alle genannten Startups aus der Branche für Frauengesundheit haben nicht nur aus sozialer Verantwortung gegründet, sondern auch aus persönlichem Need, was die Marketingstrategie ebenfalls so erfolgreich macht. Es vermittelt den Kundinnen mit ihren Problemen nicht allein zu sein und schafft schnell eine stetig wachsende Community, die zu einem langfristigen und nachhaltigen Kundenkreis beiträgt. 

 

 

Von Lena-Maria Stahl

 

 

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