Wer heute den Online-Shop eines etablierten Sexual Wellness Players wie Amorelie, beate uhse oder Eis.de besucht, wird einen ganz anderen Auftritt erleben, als die Branche noch vor 5-10 Jahren hatte. Farbenfrohe Designs, mal zartrosa, mal dunkelblau, und ein einfacher Aufbau laden zum Shoppen ein. Die Seiten sind modern gestaltet, heißen Kund*innen willkommen und würden genauso gut zu einer D2C-Brand für Naturkosmetik passen. Die Botschaft ist eindeutig: es ist schön und gut, dass Du da bist. Schau Dich um, lass Dir Zeit, es ist für alle etwas dabei.
Diese und viele ähnliche Web- und Werbeauftritte sind bezeichnend für einen bemerkenswerten Imagewandel. Weg von verschämten Einkäufen, die in auffällig unauffällige Plastiktüten verpackt werden. Weit entfernt von dunkelrot und schwarz dekorierten Läden, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich haben.
Der zeitgemäße Umgang mit Sexualität ist farbenfroh – und keineswegs medienscheu. Er macht deutlich, wie wichtig auch sexuelles Wohlbefinden ist. Denn self love und self care haben viele Facetten – auch eine sexuelle. Sie hat ihren Weg in den Alltag vieler Menschen gefunden – ohne Scham und auffällig unauffällige Plastiktüten.
Wie der Branche der Weg aus dem Schatten gelungen ist, beleuchten wir nachfolgend. Was war notwendig, um ein Tabuthema salonfähig zu machen?
Selbstliebe ist wichtig – und bunt
Dabei ist das Thema “Sexual Wellness” im E-Commerce natürlich nicht neu. Eis.de wurde bereits 2006 gelauncht, im selben Jahr eröffnete auch Erotikshop-Größte beate uhse ein eigenes Versandzentrum für den Online-Handel in den Niederlanden. Was die Frage aufwirft, was sich seitdem verändert hat – und warum?

Früherer Website-Auftritt von Beate Uhse

Früherer Website-Auftritt von EIS.de

Aktueller Website-Auftritt von Beate Uhse

Aktueller Website-Auftritt von EIS.de
Was sich verändert hat lässt sich sehr eindeutig feststellen. Den Anfang machte Amorelie, ein Unternehmen, das als Start Up begann und 2012 von Lea-Sophie Cramer und Sebastian Pollok gegründet wurde. Die beiden Founder hatten eine klare Strategie vor Augen: die Klischees des Erotik-Handels hinter sich lassen, um junge Menschen anzusprechen. Deshalb entschieden sie sich für einen modern gestalteten Online-Shop, der mit lebensfrohen Design und natürlichen Models anspricht. Ein Shop, dessen optisches Profil bewusst an die eines Lifestyle- oder Mode-Shops angelehnt ist. Denn so wird auch neuen Kund*innen der Einstieg in das Thema Sexual Wellness erleichtert.
Und auch im Marketing ging man noch einen Schritt weiter. 2013 ließ Amorelie den ersten TV-Werbespot produzieren, der mit Beginn des Jahres 2014 auf den Sendern der ProSiebenSat.1 Media ausgestrahlt wurde. Besonders bemerkenswert: der Spot lief auch im Tagesprogramm.
Mit Offenheit und Lebensfreude zum Erfolg
2015 entschloss sich dann auch Mitbewerber Eis.de zum Start einer TV-Kampagne, die zunächst vermuten ließ, dass Amorelie einen neuen Spot launchte. Wie schon Amorelie wagte auch das Tochterunternehmen der Triple A GmbH einen bunten, lebensfrohen Ansatz. Im darauffolgenden Jahr wurde ein weiterer Werbespot veröffentlicht, der dank seiner musikalischen Untermalung (Es rappelt im Karton) und der pastelligen Farbgebung für einiges an Aufmerksamkeit und Ohrwürmern sorgte. Auch diese Kampagne schaffte es in das Werbeprogramm diverser deutscher Privatsender.
Eine Zielgruppe im Wandel
Auffällig ist, dass vor allem die ersten Spots der beiden Unternehmen offensichtlich an eine weibliche Zielgruppe gerichtet sind. Sie sind bunt, ästhetisch, mit verschmitzter Erotik. Warum das so ist, lässt sich ohne entsprechende Quellen nicht eindeutig sagen. Denn die führenden Unternehmen im Bereich Sexual Wellness betonen, dass ihr Sortiment an Kund*innen und Paare gerichtet ist.
Allerdings ist anzunehmen, dass in der weiblichen Zielgruppe das größte Potential vermutet wurde. Immerhin war das Verhältnis von weiblicher und männlicher Sexualität über Jahrhunderte unausgeglichen. In den 60er und 70er Jahren sorgte Oswalt Kolle mit seinen Bemühungen um sexuelle Aufklärung für beide Geschlechter noch reihenweise für Bestürzung.
Bevor sein erster Film Das Wunder der Liebe für die Kinos in Deutschland freigegeben wurde, musste Kolle tagelang mit Zensoren der Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) verhandeln.[5] Jede einzelne Szene wurde durchgesprochen, wobei einer der Zensoren den in der Folgezeit berühmt gewordenen Satz „Herr Kolle, Sie wollen wohl die ganze Welt auf den Kopf stellen, jetzt soll sogar die Frau oben liegen!“ äußerte. Quelle: WELT-Artikel
Doch eine Gesellschaft im Wandel entwickelt veränderte Bedürfnisse. Sich an eine lange Zeit gar nicht bis wenig beachtete Zielgruppe zu wenden erscheint also nur logisch.
Die Zukunft ist farbenfroh und elegant
Der Online-Shop Eis.de ist optisch mit seinem zartrosa Design und geschwungener Schrift nach wie vor auf die weibliche Zielgruppe ausgelegt, obwohl ein breites Sortiment für Kund*innen wie Paare angeboten wird. Die Strategie funktioniert. Während das Bielefelder Unternehmen 2018 bereits 130 Millionen Euro Umsatz machte, wuchs der Umsatz im Jahr 2019 auf 170 und im Jahr 2020 auf 219 Millionen Euro.

Der Webauftritt des Satisfyer, ebenfalls eine Marke der Triple A GmbH, ist hingegen weniger eindeutig an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet. Auch hier wurde Wert auf einen modernen, bunten Look gelegt. Allerdings werden alle Zielgruppen offensiver angesprochen. Schon auf der Startseite werden mit großen, bunten Kacheln sowohl Frauen und Männer als auch Paare mit aktuellen Angeboten und Bestsellern angesprochen.

Und auch Amorelie hat sich mittlerweile, ähnlich wie Mitbewerber Satisfyer, für ein modernes und elegantes Design in weiß und dunkelblau entschieden, das Kund*innen und Paare gleichermaßen ansprechen soll.
Die Gestaltung dieser beiden Shops legt eine Verbreiterung der Zielgruppe nahe. Denn in den letzten Jahren wurde vor allem die weibliche Zielgruppe ins Auge gefasst. Da diese nun an Bord geholt ist, ist eine Neuausrichtung auf die weibliche und männliche Zielgruppe sowie Paare naheliegend.

Eine Message vereint die Marketing-Strategien der Plattformen: Sexual Wellness, ob alleine oder als Paar, ist wichtig und trägt zum persönlichen Wohlbefinden bei. Und was einen Beitrag zum persönlichen Wohlbefinden so vieler Menschen leistet, hat im stillen Kämmerlein nichts mehr verloren. Die Daseinsberechtigung von Erotik-Shops, ob stationär oder online, steht endlich nicht mehr zur Diskussion.
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