Flaconi ist einer der führenden Onlineshops für Parfums und Kosmetik. 2011 wurde der Online Pure Player von Björn Kolbmüller und Paul Schwarzenholz in Berlin gegründet. 2012 stieg der ProSiebenSat.1 Konzern mit ein, der drei Jahre später Flaconi komplett übernahm. Derzeit ist die Online-Parfümerie auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit. Dorit Posdorf übernahm vor einem Jahr die Rolle als Chief Commercial Officer bei Flaconi und war auf der K5 Konferenz 2023 exklusiv im K5 fragt nach… Interview.
Wir sind Pure Player und werden das auch bleiben. Wir verkaufen Direct to Consumer und haben uns jetzt auch ganz klar nochmal zum Fokus auf Beauty bekannt. Also keine Kopfschmerztabletten, Stützstrümpfe oder Handtaschen, so wie es einige Wettbewerber in ihren Marktplatz-Konstellationen machen. Das wollen wir definitiv nicht.
Wir werden Experte im Bereich Beauty bleiben und unsere Stärken stärken. Neben Parfums, die weiterhin unser größtes Sortiment und unser größter Umsatzbringer sind, haben wir auch ein umfassendes Sortiment an dekorativer Kosmetik, Skin Care, Haarpflege und Beauty Accessoires.
Wie geht Ihr bei der Sortimentsgestaltung vor?
Wir kommen natürlich wie die meisten E-Retailer im ersten Schritt über den Bedarf. Wir haben grundsätzlich erstmal das, was unsere Kund:innen auch suchen. Wir führen alle Marken von “Mass Market” bis hin zu internationalen Premium- und Luxusmarken wie zum Beispiel Dior oder Chanel. Auch kleinere, aufstrebende Trendmarken und Marken aus dem Nischen-Segment haben wir gelistet. Dabei gehen wir natürlich als E-Commerce Händler deutlich über das hinaus, was Kund*innen in einer guten Parfümerie um die Ecke erwarten.
Darüber hinaus arbeiten wir sehr anlassbezogen, für Muttertag, für Weihnachten ergänzen wir unsere Sortimente um entsprechende Produkte und Angebote. Wir schaffen aber auch selbst Anlässe, z.B. den Weltdufttag, oder machen mit der Industrie gemeinsam Aktionen wie in diesem Jahr die Green Beauty Week. Wir gucken, dass wir Anlass und Potenzial miteinander verbinden und kuratieren dementsprechend das Sortiment.
Ein persönliches Thema, das wir seit letztem Jahr vorantreiben, sind Marken von Female Founders. Es gibt in der Beauty-Industrie viele Marken von Gründerinnen und mit weiblichen CEOs, wie Annemarie Börlind, This Place, NUI oder Und Gretel. Da schauen wir verstärkt, dass wir in den engeren Austausch gehen und den Female Founders eine Bühne geben, um Bekanntheit zu schaffen. Wenn du als Marke erstmal bekannt bist, dann profitieren sowohl unsere Markenpartnerinnen als auch wir als Retailer. Gerade die Beauty-Industrie lebt von Diversität und Vielfalt - das wollen wir feiern.
Unsere Eigenmarken gibt es noch. Wir haben allerdings im letzten Jahr keinen vollen Fokus auf das Thema Eigenmarke gesetzt. Wir werden uns das perspektivisch weiter anschauen. Aktuell stehen Profitabilität und Internationalisierung bei uns im Vordergrund.
Wenn ich an die Gründergeschichten denke, dann war es ein Meilenstein, als Flaconi 2012 Chanel gewonnen hat. Damals steckte der Beauty Online Handel noch in den Kinderschuhen und nur wenige haben daran geglaubt, dass sich diese Produktkategorie online verkaufen lässt. Wenn man aber zentraler Anlaufpunkt für Parfum und Kosmetik sein möchte, dann braucht man große, namhafte Marken. Chanel war da wie ein Ritterschlag und hat viele weitere Türen geöffnet.
Ein weiterer wichtiger Punkt war, als wir uns 2017/2018 entschlossen haben, ein eigenes Lager aufzubauen. Das ist bis heute ein zentraler Punkt für unsere Agilität, die Sortimentsvielfalt und auch den Kundenservice.
Mein persönlicher Meilenstein ist das erfolgreiche letzte Jahr. Ich bin ja auch erst im Juni 2022 dazu gekommen und unser neuer CEO Bastian Siebers dann im Oktober. Das war schon eine herausfordernde Phase, wenn alle sich suchen und sammeln und trotzdem mitten im Geschäft stehen. Wir haben dann gemeinsam den erfolgreichsten Black Friday der Unternehmensgeschichte hingelegt und ein starkes Q4. Deswegen sind wir alle, auch wenn wir im Management Board komplett neu aufgestellt waren, mit einem sehr guten Gefühl aus dem letzten Jahr rausgegangen. Der Mut und die Geschwindigkeit halten weiterhin an, was sich entsprechend in top Zahlen widerspiegelt.
Ein ganz wichtiger Punkt bei der Customer Experience ist in der Tat unser Customer Service und auch der ist deswegen ganz bewusst nicht outgesourct. Ich glaube, jeder, der auch schon mal ein Problem hatte und einen guten Service erhalten hat, kennt die starke Bindung, die man zu dem Unternehmen dann auf einmal aufbaut. Indem wir Nähe aufbauen und Erreichbarkeit garantieren, schaffen wir ein Alleinstellungsmerkmal.
Ein weiterer Punkt ist Personalisierung und Kuration. Bei über 50.000 SKUs muss man die Kuration im Moment der Suche und des Kaufes schaffen. Hier arbeiten wir eng mit Partnern zusammen, wie Algolia und Dynamic Yield. Es geht darum, dass wir haben, was du brauchst und du das eben auch schnell findest. Zusätzlich setzen wir dann durch weitere Produktvorschläge Kaufimpulse.
Meine persönliche Ambition für die Zukunft ist es, dass Kund:innen egal an welchem Touchpoint direkt mit uns sprechen können. Es geht darum, den Intent noch besser zu erfassen und zu verstehen, was dann wiederum Grundlage für die Selektion und Kuration von Produkten ist. Aus meiner Sicht sollte “der Suchschlitz” bald der Vergangenheit angehören.
Wir haben noch kein eigenes Loyalty-Programm, überlegen aber gerade eines einzuführen. Wir sind stark im klassischen CRM unterwegs und setzen auf Newsletter und Push-Nachrichten. Wir erzeugen Kundenbindung durch unsere Angebote und das Halten unserer Lieferversprechen.
Unsere Zielgruppe ist sehr breit aufgestellt, aber hauptsächlich weiblich. Wir können und wollen eine breite Zielgruppe abdecken und verkünsteln uns deswegen nicht in Mikro-Segmenten. Wir arbeiten mit einem extrem breiten Media Mix und achten dabei darauf, den gesamten Funnel abzudecken. Wir setzen weiterhin stark auf TV und Social Media und arbeiten aktuell verstärkt am Ausbau der Ansprache und der Aktivierung unserer Bestandskunden.
Jeder Händler, ob stationär oder online, hat seine Berechtigung. Wir haben uns für einen Fokus auf E-Commerce entschieden. In den stationären Handel zu gehen, ist ein immenser Invest. Wir schätzen unsere stationären Mitspieler, da die Konkurrenz bekanntlich ja das Geschäft belebt. Wir werden uns aber auf unsere Stärken konzentrieren.
Internationalisierung ist definitiv Teil unserer Zukunftspläne. Wir sind aktuell neben Deutschland auch in Österreich, Polen und Frankreich vertreten. Wir werden diesen Ländern mehr Fokus geben und im nächsten Jahr auch noch in zwei, drei weitere Länder expandieren.
Ein weiteres wichtiges Thema ist und bleibt die Automatisierung und die Einbindung von neuen Lösungen mit und ohne KI. Zum einen, um so effizienter zu werden, aber auch, um die Interaktion mit unseren Kund:innen noch stärker Intent bezogen auszugestalten und so weitere Kaufimpulse zu setzen.
Last but not least ist bei uns die Themen Kultur und Kooperation sowohl Unternehmensintern als auch mit unseren Lieferanten extrem wichtig. Am Ende arbeiten dann doch Menschen mit Menschen und somit ist die Beziehungspflege zentral für den Unternehmenserfolg. Diese Wertschätzung der Zusammenarbeit auf allen Ebene und in allen Konstellationen wird bei uns unter dem Motto #WeCommerce mit zahlreichen Initiativen untermauert.
