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“Wenn’s Amazon nicht richtig macht, muss ich es eben machen”: Kilian Kaminski, Co-Founder von refurbed, im K5-Interview

Carolin Fest
Carolin Fest
18. Jul. 2023
Das Bild zeigt Kilian Kaminski von refurbed auf der K5 2023

Der Neukauf ist der Feind des nachhaltigen Konsums. Gerade im Elektronikbereich werden die Lebenszyklen der Produkte immer kürzer, bei steigender Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung durch Neuproduktion. Kilian Kaminski hat sich mit refurbed das Ziel gesetzt, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Wie er mit seinem Unternehmen und auch abseits davon einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit im E-Commerce leistet und wie es zur Gründung von refurbed gekommen ist, hat er uns im K5-Interview verraten.

Was hat Dich zur Gründung motiviert?

Bei mir lag es sehr stark daran, dass ich bei Amazon das Refurbished-Programm für Europa aufgebaut habe und da gemerkt habe, dass Amazon keinen Fokus auf ein nachhaltiges Sortiment legt. Amazon möchte Neuprodukte verkaufen. Ich war aber voll davon überzeugt, dass Refurbished-Produkte ein Teil der Zukunft sein müssen. Ich habe damals bei Amazon die ganzen positiven Elemente kennengelernt. Kreislaufwirtschaft - man hat einen günstigeren Preis, tut etwas Gutes für die Umwelt und gleichzeitig gibt es eine Garantie. Das macht alles Sinn und es darf einfach keine Nische mehr sein, wie es historisch bedingt war. Sondern es muss Normalität werden. Aus diesem Grund habe ich mir gedacht, wenn Amazon es nicht richtig macht, muss ich es eben selbst machen. Das war dann vielleicht ein bisschen eine Trotzreaktion, aber man kann immer entweder den einfachen Weg gehen und versuchen, im Angestelltenverhältnis etwas so gut wie möglich mit zu tragen, oder man ist disruptiv und versucht die Industrie zu verändern. Und das haben wir damals mit der Gründung von refurbed versucht und mittlerweile sind wir auf einem ganz guten Weg, dass immer mehr Menschen in der Gesellschaft es nicht mehr als Nische sehen, sondern als Normalität. Das war die Motivation, und dass das so geklappt hat, ist ein schöner Outcome, aber das weiß man ja vorher nie, wenn man gründet.

Was genau war für Dich falsch am Weg von Amazon?

Amazon hat damals Refurbishes-Produkte ins Portfolie aufgenommen, weil sie gemerkt haben, die Kunden suchen zum Teil nach Refurbished-Produkten, bei Amazon selbst, aber es gab kein Angebot. Die Kunden sind dann weggegangen und haben über die Google-Suche gekauft. Aber Amazon ist ein Everything-Store, sie möchten alles anbieten. Der Fokus lag also darauf, den Kunden, die proaktiv danach suchen, ein Produkt anbieten zu können, aber nicht darauf, die Refurbished-Produkte denjenigen Kunden anzubieten, die Neuprodukte kaufen wollen. Dadurch war das Programm dazu verurteilt, dass es nie ganz groß werden kann, weil es im Konflikt zum Neugeschäft steht.

Kommt Deine Leidenschaft für Refurbished-Produkte, Nachhaltigkeit und die Umwelt also durch den Job bei Amazon oder hattest Du diese schon vorher?

Für mich war die Umwelt immer etwas Interessantes. Ich liebe das Reisen, auch wenn Reisen nicht immer nachhaltig ist. Es geht mir darum, Natur zu sehen, auf der ganzen Welt. Damit meine ich, wie divers die Welt von der Flora und Fauna her ist - das hat mich immer fasziniert. Und ich glaube, in den letzten 5 bis 10 Jahren ist uns allen klar geworden, dass immer mehr Umwelt zerstört wird und dass Naturkatastrophen nicht mehr alle 4 Jahre passieren, sondern eher wöchentlich irgendwo auf der Welt. Von daher war das für mich immer eine Motivation zu sagen, wie können wir diese Umwelt so lange wie möglich erhalten? Durch den Job bei Amazon kam die erste Kenntnisnahme von der Existenz von Refurbished-Produkten. Wir produzieren Produkte wie Handys, und gerade im Elektronikbereich ist die Produktion besonders schädlich für die Umwelt, die im Durchschnitt nach 1,8 Jahren ausgetauscht werden. Und kein Handy wird nur für 1,8 Jahre produziert. Was machen wir also mit den Handys? Wir packen sie in Schubladen. In Deutschland liegen 200 Millionen Smartphones in den Schubladen - mit allen wertvollen Rohstoffen, Gold. Kupfer, Silber. Unser Ziel ist es, zu sagen, da sind Produkte, die produziert wurden - mit Rohstoffen, die endlich sind, also müssen wir das Leben dieser Produkte so lange wie möglich verlängern. Das ist eben das Schöne daran, jedes Produkt, das bei uns, anstatt einem neu produzierten, gekauft wird. reduziert massiv CO2-Emissionen und Elektroschrott. Wir haben eine Studie mit dem Fraunhofer-Institut gemacht und herausgefunden, dass Refurbished-Produkte über 80% CO2 und Elektroschrott reduzieren. Die intrinsische Motivation, ein Unternehmen zu schaffen, wo man Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Unternehmenserfolg kombinieren kann, das war ein sehr spannender Faktor. Vor allem, weil die meisten Unternehmensmodelle im Gegensatz arbeiten, umso nachhaltiger es wird - desto teurer wird es auch. Gleichzeitig gibt es selten nachhaltige und günstigere Produkte, bei denen die Konsumentscheidungen nicht bedeuten, sich woanders einschränken zu müssen.

Wie unterscheidet sich refurbed von Mitbewerbern?

In Deutschland kennt man zum Beispiel rebuy oder asgoodasnew, das sind Händler, die den gesamten vertikalen Refurbished-Prozess selber machen. Also vom Ankauf der Geräte, über die Aufbereitung der Geräte, bis zur Logistik und Retoure. Wir hingegen sind ein kuratierter Marktplatz. Das heißt, wir selber haben keine Techniker, die Geräte reparieren, kein Lager, woraus die Produkte verschickt werden, sondern wir bringen die rebuys und asgoodasnews auf unsere Plattform. Der Vorteil für den Kunden ist, er hat eine viel breitere Auswahl, weil wir mit vielen Anbietern zusammenarbeiten. Zum Beispiel mit AEG für Staubsauger, mit De’Longhi für Kaffeemaschinen, Kärcher für Gartengeräte, und so weiter. So ein breites Portfolio könnten wir vertikal gar nicht abbilden. Außerdem haben wir attraktive Preise, denn die verschiedenen Anbieter konkurrieren um die Kunden. Vor allem stellen wir aber die Qualität sicher. Es gibt keine Gesetzgebung, die vorschreibt, was passieren muss, damit man ein Produkt refurbished nennen kann. Wir sind Mitglieder der European Refurbished Association, einer Organisation in Brüssel, die sich damit beschäftigt und versucht, auf europäischer Ebene Standards zu definieren. Da bin ich gerade in den Vorstand gewählt worden. Es gibt eine große Konkurrenz-Plattform aus Frankreich, die aber eine geringere Qualität in ihren Produkten hat - die haben eben eine andere Zielgruppe, die eher nach sehr günstigen Produkten sucht.

Refurbished ist etwas ganz anderes als Gebraucht - gebraucht wäre, wenn ich jemandem mein Handy gebe und vorher die Daten lösche. Refurbished bedeutet, die Produkte werden vorher komplex aufbereitet und sind danach wie neu. Dieser Unterschied ist den Kunden oft nicht ganz klar und deswegen möchten wir den Kunden eine gute Kauferfahrung bieten, denn dann kommen sie wieder. Jedes Marktplatz-Konzept, auch unseres, basiert auf Wiederkäufern, deswegen ist das Sortiment so breit, denn niemand kauft 3 Handys im Jahr, aber vielleicht braucht der Käufer auch eine Kaffeemaschine oder ein Fahrrad und dann kommt er wieder.

Was würdest Du Dir im Onlinehandel noch für eine Veränderung wünschen, was Nachhaltigkeit angeht?

Regulatorik kann man wie ein zweischneidiges Schwert sehen - zu viel ist schlecht, aber eine gewisse Regulatorik ist notwendig. Die Hersteller selber arbeiten daran, die Geräte so unreparierbar wie möglich zu bauen. Das ist makaber, denn das hat nichts mit dem Nachhaltigkeitsaspekt zu tun. Aber natürlich leben sie in der linearen Wirtschaft, sie wollen am besten jährlich ein neues Gerät verkaufen, aber das spricht natürlich komplett gegen Nachhaltigkeit und da brauchen wir Regulatorik. Denn die Motivation für die, sich zu ändern, ist nicht vorhanden, denn das ganze Geschäftsmodell baut auf Neukäufen auf. Auf europäischer Ebene passiert da einiges, zum Beispiel mit dem Recht auf Reparatur oder Ecodesign-Directives, bei welchem das Design der Geräte das Thema Nachhaltigkeit viel mehr in Betracht ziehen soll.

Das andere Thema ist, wie können wir es hinbekommen, weniger zu konsumieren. Am umweltfreundlichsten wäre natürlich gar kein Konsum, aber das ist unrealistisch. Wir werden, gerade in der westlichen Welt, immer eine Konsumgesellschaft bleiben. Uns geht es also darum, eine nachhaltige Alternative für den Neukauf zu bieten.

Ein ganz wichtiger Faktor ist auch eine Veränderung des Mindset, was Retouren angeht. Da gibt es aber spannende Technologien, die daran arbeiten, Retouren zu reduzieren. Wir arbeiten mit unseren Partnern auch daran, dass sie möglichst nachhaltige Logistikdienstleister nehmen. Ich habe mich bei einem Startup beteiligt, was den Schuh-Retourenversand minimieren soll, indem man die Schuhgröße sehr genau definieren kann. Das ist auch ein Weg, glaube ich, denn wenn man bei jedem Hersteller eine andere Schuhgröße hat, dann kommen natürlich Retouren zustande. Solche Techniken sind also auch ein spannender Weg.

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