Wie viele Branchen des E-Commerce haben auch die Online-Apotheken von der ungewöhnlichen Situation der vergangenen zwei Jahre profitiert. Das Angebot an Online-Apotheken ist groß und reicht von Marketing-affinen Brands wie docmorris oder SHOP APOTHEKE EUROPE bis hin zu Discount-Anbietern wie apodiscounter. Im Jahr 2020 erwirtschaftete der Online-Handel mit Medikamenten in Deutschland einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro und verzeichnete damit fast 54 % Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr. Zudem stammen die Kund*innen inzwischen aus allen Altersklassen. Sie werden von Digital Natives ebenso genutzt wie von Digital Immigrants. Damit stellen sich einige Fragen: ist der Erfolg der Online-Apotheken eine dem Corona-Effekt geschuldete temporäre Erscheinung? Oder wird sich der Online-Handel mit Arzneimitteln dauerhaft etablieren? Und finden Online-Apotheken einen Weg die vollumfängliche Erfahrung ihrer stationären Gegenstücke zu bieten – persönlicher Beratung inklusive?
Eine genutzte Chance
Der Grundstein für Arzneimittelhandel im E-Commerce wurde im Jahr 2004 gelegt. Denn bis 2003 war der Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland vollständig untersagt. Erst Novellierungen des Arzneimittel- und des Apothekengesetzes 2004 schufen eine Rechtsgrundlage für den bundesweiten Versandhandel mit Medikamenten. Im selben Jahr wurde zudem die Preisbindung für rezeptfreie Arzneien aufgehoben.
Einige der marktführenden Versandapotheken entstanden schon mehrere Jahre vor der Existenz einer Rechtsgrundlage – auf ihre eigene Art.
SHOP APOTHEKE EUROPE wurde bereits 2001 als Online-Shop einer Kölner Apotheke gegründet und vertrieb zu Beginn hochwertige Hautpflegeprodukten und Kosmetik.
Einen anderen Weg wählte hingegen docmorris. 2000 von einem Apotheker und einem Informatiker gegründet, entschied man sich trotz des Fokus auf den deutschen Markt bewusst für einen Firmensitz in den Niederlanden. Denn so konnten sowohl das in Deutschland bis 2003 geltende Verbot zum Arzneimittelversand als auch die noch bestehende Preisbindung rezeptfreier Medikamente umgangen werden.
Erfolgsrezept Preis-Leistungs-Verhältnis?
Die bundesweite Abschaffung der Preisbindung von Over-the-counter-Arzneien (OTC) und die Änderung der Rechtsgrundlage ebneten schließlich den Weg für zahlreiche nationale Online-Apotheken. Rund 3000 Apotheken haben eine Zulassung als Versandapotheke, wovon ca. 150, also etwa 5%, einen aktiven Versandhandel betreiben.
Zu den Erfolgsfaktoren des digitalen Handels mit Arzneimitteln zählen u.a. auch solche, die den E-Commerce im Allgemeinen antreiben. Hervorzuheben wären hier:
- Komfort: auch Online-Apotheken bieten den Komfort der ortsunabhängigen Bestellung und Lieferung an die Haustür. Wege zu einem oder sogar mehreren stationären Geschäften entfallen.
- Verfügbarkeit: Kund*innen sind in Echtzeit über den Bestand des Sortiments informiert und werden so nicht mehr von geringer oder fehlender Verfügbarkeit der Produkte überrascht.
- Preisvorteil: die Kalkulation der Preise für OTC-Arzneimittel ist Online-Apotheken ebenso selbst überlassen, wie ihren stationären Mitbewerbern. Vor allem Eigenmarken ermöglichen eine preisgünstige Auswahl.
- Sortiment: anders als seine stationäre Gegenstücke kann der digitale Medikamentenhandel Kund*innen das vollständige Sortiment an freiverkäuflichen und rezeptpflichtigen Arzneien sowie Pflege- und Kosmetikprodukten anbieten. Diverse Ausführungen und Alternativen eines Produkts decken alle Bedürfnisse ab.
Schnell, einfach, aber anonym
So viele Vorteile das digitale Angebot an Versandapotheken bietet, einen entscheidenden Nachteil gibt es doch: die persönliche Beratung fehlt komplett. Die Auswahl müssen Kund*innen eigenständig treffen, Erfahrungswerte selbst recherchieren oder den Bewertungssystemen der Shops entnehmen. Die individuelle Einschätzung durch Fachkräfte entfällt. Damit spricht der Online-Handel mit Arzneimitteln vor allem eine Zielgruppe an, die ihre Wahl bereits getroffen hat.
Diese Annahme verstärkt sich auch durch die Gestaltung der Shops. Diese sind durchweg schlicht gehalten und simpel aufgebaut. Das Design der Plattformen steht nicht im Vordergrund. Unkomplizierte Einkäufe zu günstigen Preisen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Marktlücke, die sich nutzen ließe. Alle Vorteile einer Online-Apotheke, aber mit ausgeklügeltem Design, ästhetisch ansprechend und modern. Eine Erfahrung, die in naher Zukunft auftretende Konkurrenz nicht bieten kann – amazon.
Schnell, einfach, aber anonym
So viele Vorteile das digitale Angebot an Versandapotheken bietet, einen entscheidenden Nachteil gibt es doch: die persönliche Beratung fehlt komplett. Die Auswahl müssen Kund*innen eigenständig treffen, Erfahrungswerte selbst recherchieren oder den Bewertungssystemen der Shops entnehmen. Die individuelle Einschätzung durch Fachkräfte entfällt. Damit spricht der Online-Handel mit Arzneimitteln vor allem eine Zielgruppe an, die ihre Wahl bereits getroffen hat.
Diese Annahme verstärkt sich auch durch die Gestaltung der Shops. Diese sind durchweg schlicht gehalten und simpel aufgebaut. Das Design der Plattformen steht nicht im Vordergrund. Unkomplizierte Einkäufe zu günstigen Preisen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Marktlücke, die sich nutzen ließe. Alle Vorteile einer Online-Apotheke, aber mit ausgeklügeltem Design, ästhetisch ansprechend und modern. Eine Erfahrung, die in naher Zukunft auftretende Konkurrenz nicht bieten kann – amazon.
Übermacht amazon?
Denn ein Wendepunkt für die Versandapotheken Europas könnte vom E-Commerce-Riesen amazon ausgehen. Dieser launchte in den USA im November 2020 seine Tochtergesellschaft amazon pharmacy und ließ die Brand schon Anfang desselben Jahres als Unionsmarke der EU registrieren. Eine Internationalisierung dieses amazon-Modells nach Europa wird also vermutlich in naher Zukunft Wirklichkeit werden.
Dann wird sich die Frage stellen, ob die bereits etablierte Online-Apotheken eine friedliche Co-Existenz mit dem Online-Giganten erreichen oder ob eine Partei weichen muss. Denn auf Preisebene und im Bereich Komfort wird es zu einem direkten Vergleich kommen. Der entscheidende Punkt aber wird sein, wer den Kund*innen die beste UX im Rahmen der Gesetzgebung bieten kann – Online-Beratung inklusive. Denn in der persönlichen Beratung stehen Online-Apotheken ihren stationären Mitbewerbern noch um einiges nach.
Von Katrin Grieser