Die Quick Commerce Blase ist geplatzt. Nach dem Hoch mit Beginn und während der Pandemie, das zahlreiche Anbieter und Geschäftsmodelle auf den Food & Delivery Markt schwemmte, folgte das nicht direkt böse, aber mindestens desillusionierende Erwachen. In den letzten 12 Monaten folgte eine Übernahme auf die nächste, Insolvenz auf Insolvenz – oder der Rückzug aus einem frisch erschlossenen Markt. Betroffen waren davon große Anbieter ebenso wie eher nischig anmutende Modelle. 

 

Gorillas konnte nur dank der Übernahme durch Getir vor der Pleite bewahrt werden, Oda zog sich keine vier Monate nach der Deutschland-Expansion vollständig zurück und das Zero Waste Delivery Startup alpakas musste nach einer gescheiterten Finanzierungsrunde Insolvenz beantragen. Die Spreu trennt sich vom Weizen und übrig bleiben nur eine Handvoll Anbieter. Eine Handvoll, die nach der Hegemonie in der Food & Delivery Branche lechzt. Ein Showdown also, dessen Ausgang zwar noch nicht endgültig feststeht, aber sich andeutet. 

 

 

Höher, schneller, stopp

 

Dass ein Name in dieser kleinen und keineswegs vollständigen Aufzählung an Quick Commerce Anbietern fehlt, liegt u.a. an der Einzelhandelskette REWE. Denn diese und einige andere Investoren haben Flink vor dem Notverkauf bewahrt – Mitbewerber und größter Konkurrent Getir scharrte schon eifrig mit den Hufen. Rund ein Drittel der investierten 150 Mio. Euro sollen von Seiten REWEs in Flink gesteckt worden sein. Damit hat der in Berlin gegründete Quick Commerce Anbieter erfahrene Unterstützung an Bord. Zwar ist REWE nicht auf Quick Commerce eingestellt, in Ballungsräumen kann immerhin Same Day Delivery angeboten werden, doch der Kölner Einzelhandels-Riese betreibt seinen Lieferservice bereits seit 2012. Der Investor REWE bringt also auch eine Menge Know How mit – und hat nebenbei eine Marktübernahme durch Getir verhindert. 

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Der Mitbewerber aus Istanbul scheint sich ohnehin deutlich übernommen zu haben, wie kürzliche Entwicklungen zeigen. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Getir 2.500 Mitarbeiter entlässt und das in allen fünf Kernmärkten (Türkei, UK, Niederlande, USA und Deutschland). Etwa zeitgleich kündigte das Unternehmen den Rückzug aus 17 von 23 deutschen Städten an (viele der betroffenen Standorte stammen aus der Übernahme von Gorillas). Im Juli 2023 hatte Getir bereits die Märkte Frankreich, Spanien, Portugal und Italien aufgegeben. Ein unabwendbarer Schritt, denn das Unternehmen ist nicht nur nicht profitabel (das ist auch Konkurrent Flink nicht) sondern verzeichnete in Q1 diesen Jahres Verluste von bis zu 100 Millionen Euro – pro Monat. 

 

 

Wer zuletzt fährt, fährt am besten?

 

Der aktuelle Showdown der Quick Commerce Anbieter wird in naher Zukunft ein Ende finden. Die Tendenz ist deutlich erkennbar. Flink hat nun nicht nur tatkräftige und erfahrene Investoren wie REWE im Hintergrund, sondern kooperiert bereits seit Januar 2023 mit DoorDash-Tochter Wolt. Als Lebensmittel Delivery Service passt Flink natürlich perfekt in die Wolt-Strategie der ‘Digital Mall’ und profitiert von der Wolt-Flotte und -Kunden. 

 

Getir hingegen sucht noch nach der tat- und vor allem zahlungskräftigen Unterstützung und hofft, mit dem Rückzug aus einem halben Dutzend Märkten Oberwasser zu gewinnen. Das türkische Quick Commerce Unternehmen arbeitet wohl aktuell auch an einer Finanzierungsrunde, die in Verbindung mit dem Strategiewechsel den Kurs in Richtung Zukunft drehen soll. 

 

Wie sich das Quick Commerce Feld in der nahen Zukunft entwickelt, kommt also ganz darauf an, ob es Getir gelingt den Kurs zu drehen – oder ob ein mit Wolt kooperierendes und von REWE gestütztes Flink die freigewordene Bahn besetzt. 

 

 

 

*Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir auf eine genderneutrale Schreibweise und Sprache. Wir möchten jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich sämtliche verwendete Personenbezeichnungen – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Gender beziehen.

 

Von Katrin Grieser

 

 

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